Tierhospiz - Die Schelmenstübchen
 Tierhospiz - Die Schelmenstübchen 

Otto

          Ein Leben der großen Verluste

Otto stammt aus einer Tierschutzaktion bei der 16 Hunde unterschiedlicher Rassen in Zusammenarbeit zwischen Ordnungsamt, Polizei und Veterinäramt beschlagnahmt und in einem Tierheim untergebracht wurden. Die Hunde wurden ursprünglich mit  einem polnischen Hundetransport zu verantwortungslosen deutschen Hundehändlern gebracht, die mit ihnen „das große“ Geld verdienen wollten.

 

Wir fanden Otto in einer verschmutzten Pferdebox  im eigenen Kot zusammengepfercht mit einigen anderen Hündchen, die sich alle  in absolut desolatem Zustand befanden. Alle kamen damals bei dem Einsatz vor Hunger jammernd und nach Geborgenheit bettelnd an die Boxenwand, nur Otto nicht.

 

Otto blieb im Schmutz liegen, denn sein linkes Hinterbein war schwer verletzt. Er versuchte aufzustehen, aber es gelang nur sehr mühsam, denn er zog es leblos hinter sich her. Otto wurde wie all die anderen behutsam ins Tierheim gebracht, erhielt die medizinische Erstversorgung und wurde gründlich gereinigt. Da das Beinchen aber sehr bedenklich aussah, brachten wir ihn am nächsten Tag zur umfangreichen Untersuchung in die Tierklinik. Dort wurde festgestellt, dass das Beinchen leider nicht mehr zu retten war und es wurde geraten  möglichst zeitnah zu amputieren. Da eine adäquate OP Nachsorge mit Rundumbetreuung durch das Tierheim, in welchem Otto zu diesem Zeitpunkt untergebracht war, aus räumlichen und personellen Gründen nicht geleistet werden konnte, wurde Otto bei mir  ein Pflegehund.

Er entwickelte sich nach der Amputation prächtig, die riesige Narbe verheilte sehr gut und Otto rannte wie neu geboren auf drei Beinen mit anderen Hunden glücklich um die Wette…endlich war er den Ballast des reglosen Etwas hinter sich los.

Otte begleitete mich auch oft ins Tierheim und ging dort mit den Gassigängern spazieren. Eine Frau kam an den Wochenenden mit ihrer Tochter dort hin, um Hunde auszuführen und sie  lernten dabei auch Otto kennen. Die drei verliebten sich ineinander und nach geraumer Zeit der Überlegung nahmen sie Otto ganz bei sich als neues Familienmitglied auf.

 

Otto hatte ein neues zuhause und genoss es in vollen Zügen. Ab und zu, wenn die Familie verreiste, kam er ein paar Tage zurück zu mir zu seiner ehemaligenTierbetreuerin ,die ihn gesund gepflegt hatte.

 

Leider erkrankte sein neues Frauchen nach zwei Jahren sehr schwer und Otto kam erst einmal vorübergehend wieder als Pflegehund zu mir in seine alte Hundebetreuungsstelle.

Da er ja das ganze Umfeld sehr gut kannte, war die Trauer relativ gering und Otto integrierte sich sehr schnell wieder in sein altes „zuhause“.

 

Monat um Monat verging, aber der Gesundheitszustand seines Frauchens verbesserte sich nur sehr langsam. Zwei Jahre des Hoffens und der verrinnenden Zeit. Alle drückten die Daumen, dass Otto bald wieder zu seiner Familie zurückkehren könnte, bis dann die endgültige traurige Nachricht von seinem  Frauchen kam, dass es keine Aussicht auf Genesung mehr gibt.

Was sollte mit Otto geschehen?

Ins Tierheim zurück, um  von dort ein neues zuhause für ihn zu suchen?

 

Wir entschlossen uns ihn  vorerst weiterhin als Pflegehund zu behalten und weiter abzuwarten. Drei Monate später erhielten wir die traurige Nachricht, dass das Frauchen  von Otto leider über die Regenbogenbrücke gegangen war und die Familie sich aus beruflichen und schulischen Gründen nicht in der Lage sah, Otto wieder bei sich aufzunehmen.

Da Otto aber erst acht Jahre alt ist, ein fröhlicher und lustiger Geselle mit ordentlichem Gehorsam, wurde für ihn ein neues Zuhause gesucht, ohne ihn erst ins Tierheim zurückzubringen. Das sollte ihm wirklich erspart bleiben.

 

Nach gar nicht langer Zeit fanden wir eine nette Dame mit viel Zeit, Haus und Grundstück, deren alter Hund verstorben war und die sich sehnlichst einen neuen vierbeinigen Lebensbegleiter wünschte. Sie war hundebetreuungsmäßig sehr erfahren, gesundheitlich rundum fit und wir waren überzeugt, dass Otto nochmal sein  großes Los gezogen hat.

 

Er zog in eine benachbarte Stadt, bekam das Paradies auf Erden bereitet mit neuen Kuschelkörbchen, Sonnenliege im Garten, Ausflüge, Spaziergänge…das volle Hundeverwöhnprogramm…. 24 Stunden „Puderzucker“ pur vom Feinsten.

 

Aber alles half nichts, Otto lag Tag um Tag hinter dem Gartentor und wartete darauf, dass ich ihn wieder abholen würde….Drama pur !!!Die telefonische Hotline  zum neuen Frauchen stand und alles wurde probiert, um Otto sein neues zuhause schmackhaft zu machen.

Nach einigen Tagen klingelte wieder das Telefon und mir wurde von einem ganz traurigen neuen Frauchen mitgeteilt, dass Otto nun auch noch in den Hungerstreik getreten sei und nun gar  nichts mehr fressen wolle. Selbst gekochtes Futter, die feinsten Leckerlie, gebratenes Hühnchen, Wurst, Käse und sonstige Versuche brachten Otto nicht dazu zu fressen

 

Somit wurde schweren Herzens entschieden, dass Otto nun für immer zu mir zurückkehrt.

Man kann nicht beschreiben wie sehr sich der kleine Kerl freute, als er  von mir wieder abgeholt wurde. Die ältere Dame tat uns so leid, sie hatte wirklich alles versucht, aber Otto wollte nicht noch einmal eine Veränderung in seinem Leben geschweige denn sich neu verlieben.  

 

Wieder bei uns  angekommen , rannte er ins Haus, ,,sprang auf einen Stuhl in der Küche und stahl sich ein Stückchen trockenes Brot vom Küchentisch, was vom Frühstück dort noch lag und aß es genüsslich auf, als wäre es die größte Delikatesse, die er in seinem Leben bekommen hat.

 

Ich nahm ihn in den Arm und versprach ihm, dass er uns nie wieder verlassen muss bis zu seinem Lebensende.

Otto wird eine unserer „Gallionsfiguren“ in unserem Tierhospiz Schelmenstübchen werden, denn eine erneute Vermittlung wird nie wieder erfolgen.

 

Er ist eines der Tiere, die uns mit ihrer Geschichte veranlasst haben unsere Tierhospizeinrichtung zu gründen.

 

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